Erster Long-COVID-Kongress in Jena ging mit großem Erfolg zu Ende
Spannende Diskussionen neuer Erkenntnisse und Therapiestudien zu den Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion
Jena. (ka) Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der die Schirmherrschaft für den ersten Long- COVID-Kongress vom 18.-19. November 2022 in Jena übernommen hatte und zur Podiumsdiskussion am ersten Abend digital zugeschaltet war, hatte nicht zu viel erwartet. Tatsächlich gab es wichtige Impulse für die Behandlung von Long COVID, nicht nur von den eingeladenen hochrangigen Experten, sondern auch von zahlreichen Betroffenen, die von ihren Erfahrungen berichteten. Fast 2.500 Teilnehmer hatte der vielbeachtete Kongress, davon 350 in Präsenz im Jenaer Volkshaus und über 2.000 digital zugeschaltet.
Das partizipative Konzept der beiden Tagungspräsidenten, das den Kongress einzigartig machen sollte, ging mit maßgeschneiderten Interaktionsangeboten für die verschiedenen Interessenkreise auf. Univ. Prof. Dr. med. Martin Walter, Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum Jena und Standortsprecher Jena-Halle-Magdeburg des zukünftigen Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG), und Dr. med. Daniel Vilser, Ltd. Oberarzt der Klinik für Kinder und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Jena und Vizepräsident des Ärzte- und Ärztinnenverbandes Long COVID, kombinierten einen Fachkongress auf hohem wissenschaftlichen Niveau mit einem englischsprachigen Fachsymposium am ersten Kongresstag für Wissenschaftler und Klinikärzte, ein entsprechendes Symposium für Hausärzte am zweiten Kongresstag sowie ein halbtägiges Patientenforum.
„Das ausgesprochen komplexe Krankheitsbild erfordert wie kaum eine andere Erkrankung die Zusammenarbeit sowohl von Forschungsgruppen zur Entschlüsselung der Pathomechanismen als auch von versorgenden Ärzten unterschiedlichster Fachdisziplinen bei der Behandlung der multiplen Symptome“, betonte Prof. Walter. Entsprechend komplex war die Ausrichtung des Kongressprogramms. Das Satellitensymposium für Betroffene und ihre Angehörigen wurde mit einem kostenfreien Zugang von Long COVID Deutschland, der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS, Fatigatio e.V. und der Deutschen Rentenversicherung Bund ausgerichtet.
Mit großer Präsenz und eindringlich verdeutlichten die Erkrankten, dass ihr Leben auch nach überstandener Infektion nicht mehr wie vorher ist: Sie gelten als genesen, fühlen sich aber alles andere als gesund. Der Kongress zeigte die ersten umfassenden Untersuchungen über Häufigkeit und Ausmaß der Beschwerden. Ausgeprägte Erschöpfung, kognitive Einschränkungen und vielfältige weitere Symptome schränken Gesundheit und Lebensqualität stark ein.
Ausgerichtet vom Ärzte- und Ärztinnenverband Long COVID, der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Jena (UKJ), dem Post-COVID-Zentrum des Center for Sepsis Control and Care (CSCC) des Universitätsklinikums Jena und dem CIRC – Standort Halle/ Jena/ Magdeburg des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit, bot die hochkarätige Fachtagung einen Überblick zum aktuellen Stand der Forschung und den Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse und Therapiestudien zu den Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion. Die Schwerpunkte des zweitägigen Kongresses umfassten die ganze Bandbreite vom Ablauf des Krankheitsprozesses, neuen Therapiemethoden bis hin zur Versorgungsforschung. Im Vordergrund standen die Präsentation aktueller Forschungsprojekte, die Diskussion mit Experten und der fachliche Austausch von Forschern aus allen Long COVID betreffenden wissenschaftlichen Bereichen als auch in der Versorgung tätigen Mediziner, vor allem auch der Allgemeinmedizin, sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der Klinik.
„Etwa 10% der der mit SARS-CoV2 infizierten Erwachsenen und 1-3% Kinder leiden auch Wochen nach der Infektion noch unter Symptomen, welche durch diese verursacht wurden und erfüllen damit die Kriterien von Long COVID“, so Dr. Vilser. „
“ Auf die Versorgung dieser zeitaufwendigen Patienten mit teilweise massiven Einschränkungen ihrer Lebensqualität sei unser Gesundheitssystem bisher nicht gut eingestellt.
Eine hochrangige Podiumsdiskussion, an der unter anderem die selbst betroffene Ärztin Dr. Claudia Ellert und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow teilnahmen, verdeutlichte die besondere Herausforderung von Long COVID für das Gesundheitswesen. Unter dem Titel „Long COVID – Gemeinsamer Aufruf zum Handeln: Was haben Gesundheitswesen und Politik bisher getan, was müssten und was können sie tun?“ diskutierten Betroffene, Vertreter aus Politik und Gesundheitssystem die drängenden aktuellen Probleme. Moderiert von WISO Chefredakteur Marcus Niehaves ging es darum, welche Schritte in den nächsten Monaten unternommen werden müssen, um die Folgen der Pandemie einzudämmen und die medizinische Versorgung zu verbessern. Nicht nur durch Aufklärung der Ärzte, weitere Anlaufstellen und Behandlungszentren, sondern auch durch Unterstützung von Politik und Krankenkassen. Um die neuen Erkenntnisse einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde die Veranstaltung aus Jena gleichzeitig gestreamt.
Im Satellitensymposium für Betroffene wurde, anschießend an den Vortrag von Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, Charité Universitätsmedizin Berlin „Was ist der Unterschied von Long/Post-COVID und ME/CFS? Wie wird die Diagnose gestellt?“, eine wichtige Debatte zur Rolle psychologischer und körperlicher Aspekte bei diesen Erkrankungen angestoßen.
In verschiedenen intensiven Diskussionen zeichnete sich an beiden Kongresstagen ab, dass es nicht nur eine einzige Ursache für Long Covid gibt und – aufgrund der verschiedenen Cluster von Patienten – auch nicht nur eine Behandlungsmethode, die für alle wirksam sein kann. Bisher können Patienten rein symptomatisch behandelt werden, während kausale Behandlungsansätze noch weiter erforscht werden müssen. Verschiedene Medikamente und neue Verfahren wurden vorgestellt, die bisher für andere Erkrankungen verordnet werden, aber auch bei Long-Covid eingesetzt werden könnten. Neben möglichen neuen Therapien sei es jetzt vor allem wichtig, den Patienten einen bestmöglichen Umgang mit ihrer Beeinträchtigung aufzuzeigen und sie darin zu unterstützen festzustellen, welches Verhalten zu einer Verschlechterung der Symptome führt, und individuell dagegen anzugehen – so das Resümee von Prof. Walter.
Beide Tagungspräsidenten zeigten sich hoch zufrieden mit dem, was auf der Tagung erreicht werden konnte: Nicht nur die Stärkung der interdisziplinären und transsektoralen Zusammenarbeit, auch der gemeinsame gesellschaftliche Dialog sei einen entscheidenden Schritt weitergekommen.
(Kerstin Aldenhoff, Conventus)
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COVID 19 verändert und fordert auch
Veränderungen, was bedeutet, dass Versorgungsprozesse, Kommunikation, Forschung, Fort- und
Weiterbildung neu gedacht werden müssen und das eben nicht nur für den akuten Teil der
Erkrankung.